Ausmisten

Es gibt Orte in unserem Haus, die meide ich, weil sie mich so unverschämt anschreien, dass ich dort aufräumen muss.
Unser Dachboden ist so ein Ort. Abgesehen davon, muss ich eine ausklappbare Leiter besteigen. Oben gibt es keinen Platz zum Stehen und von dort sieht es für mich immer sehr gefährlich tief nach unten aus. Die wildesten Unfälle habe ich mir da oben schon ausgemalt.

Nun lagern aber alle Kleider der Kinder, denen sie entwachsen oder noch nicht gewachsen sind, auf eben diesem Dachboden. Da ich neben Frühjahrskleidung – jaaa, ich will jetzt Frühling haben! – auch noch die Babykleider meiner Nichte dringend brauchte, bin ich also mutig hoch gestiegen.

Nachdem ich die gesuchten Klamotten aber nicht finden konnte und mitten in einem Tütenberg eingeklemmt in unserer Dachluke kauerte, habe ich beschlossen: Ich muss ausmisten.

Unten stand meine Tochter, der ich nur „Achtung“ zu rief und dann ging es los.
Wenn ich mal aufräume oder ausmiste, dann geht’s rund – mach ich deshalb nicht oft;)
Als ich alle Kleidertüten (Riesenzippbeutel) aus der Luke befördert hatte, traf mich der Schlag, als ich den Berg unter mir sah.

Ein Wunder, dass meine Tochter überlebt hatte. Entsetzt sah sie mich an: „Mama, warum tust du das?“
Und dann gings erst richtig los. Ich habe alle Beutel durch sortiert, nach Größen, nach Schaden und ob es überhaupt angezogen wird.

Aufräumen und ausmisten tut nicht nur den jeweiligen Räumen oder Schränken gut, sondern stößt bei mir auch immer ein inneres Aufräumen an.
Es ist befreiend sich von alten Fetzen, von Lasten zu trennen und wieder freie Flächen zu schaffen. Raum zum Durchatmen.
Gerade engt mich die aktuelle Situation ein, ich fühle mich gefangen in meiner Rolle: Mutter, die zuhause ist und verlässlich das Familienleben managt.
Mein Herz ist aufgewühlt: Wo möchte ich hin, wo ist mein Platz, wo möchte Gott mich haben, wo werde ich gebraucht?

Mit dem Ausräumen, Sortieren, Loslassen und Einräumen, sammeln sich auch meine Gedanken. Es tun sich die letzten Tage wieder Türen auf und ich merke, ich werde aktuell noch hier am Dringendsten gebraucht. Die wenigen Vormittage alleine zuhause genieße ich und nutze sie zum Sortieren in den Schränken, aber auch in meinem Herzen.
Nun kann ich wieder Durchatmen. Und ich kann meine Rolle annehmen, weil ich weiß, meine Zeit kommt noch.
Meine Seele wird ruhiger.
Ich weiß, es gibt einen, der den Überblick behält, wenn bei mir Chaos herrscht. Einer, der am besten Aufräumen kann. Einer, der die Zeit kennt und dem ich vertrauen darf, dass er mir sagt, wann meine Zeit des Aufbruchs und Neubeginns ist.

Noch stehen unsere Narzissen fein mit Schnee gepudert im Garten, noch sieht der Garten mehr braun als grün aus und der Himmel trüb grau ohne Sonne. Doch ich weiß, es kommt der Frühling mit seinen leuchtenden Farben, der wärmenden Sonne und den Schlüsselblümchen, Veilchen und Primeln. Alles kommt zu seiner Zeit und folgt der Ordnungen des Höchsten.
So darf auch ich mich an ihm orientieren.

„Selbst der Storch am Himmel kennt seine bestimmten Zeiten, und Turteltaube und Schwalbe und Kranich halten die Zeit ihres Kommens ein; aber mein Volk kennt das Recht des HERRN nicht.“ Jeremia 8,7


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